Erfolgreiches Comeback mit den Unterdistanzen
(Mag. Michael Koller) Der österreichische Lauf-/Eventkalender ist in den warmen Monaten so prall gefüllt wie nie zuvor. Neben dem explosiven Angebot an virtuellen Läufen wird es mit den Lockerungen aus dem COVID- Lockdown anfangs vorwiegend nur kleine, kurze Events geben.
Diese Sportveranstaltungen dienen jedoch als ideale Vorbereitung für die sportlichen Herbst-Highlights wie den Vienna City Marathon und den Österreichischen ASICS Frauenlauf.
Die gesamte Läufer-Community sehnt schon die ersten Events herbei, wobei leider nur wenige SportlerInnen fit aus dem Lockdown kommen. Die lange Durststrecke an ausbleibenden Events sowie die fehlende Tagesstruktur durch Kurzarbeit und Home-Office hat viele aus ihrem Trainingsrhythmus geworfen. Meist ist die Situation mit dem ausbleibenden Training mit ein paar Kilos zusätzlichem Körpergewicht aufgrund der eingeschränkten Aktivität im Alltag gekoppelt.
Fühlen Sie sich gerade angesprochen? Dann achten Sie bitte beim Laufeinstieg auf Ihre Gesundheit und Ihren Bewegungsapparat. Gehen Sie es locker an, genießen Sie die Teilnahme an den ersten Events und legen Sie den Fokus noch nicht auf die Zielzeit.
Sollten Sie jedoch, wie viele KlientInnen der Sportordination, die Krise und den Lockdown als Chance für ein ausgedehntes Grundlagentraining genutzt haben, dann ist jetzt der ideale Zeitpunkt, die Form nicht nur bei einer sportmedizinischen Leistungsdiagnostik zu überprüfen, sondern auch bei den „kurzen“ Events mal richtig durchzustarten.
Ja, es ist relativ, bei den kommenden Wettkämpfen von kurzen Distanzen zu sprechen. Für LaufanfängerInnen und den österreichischen Leichtathletik-Nachwuchs sind Wettkämpfe um die 5.000 m schon eine lange Strecke. Marathonläufer oder Langdistanz-Triathleten sind nach einer Distanz von 5 km gerade erst warmgelaufen.
Diese kurzen Wettkampfstrecken sind aber gerade für Langstreckenläufer eine große Herausforderung. Meist werden diese „Kurzen“ als „Fun Runs“ und „Jux Races“ abgewertet. Aus trainingswissenschaftlicher Sicht kann man aber gerade aus diesen Läufen Tempohärte gewinnen, weshalb sie eine willkommene Abwechslung in der Trainingsplanung bieten und jetzt zum idealen Zeitpunkt angeboten werden.
Der sonst graue Trainingsalltag von niedrig intensiven Trainingsläufen kann in der Zeit vor den Unterdistanz-Bewerben vor allem mit intensiven Intervallen verfeinert werden. Durch die Intervallmethode, die im anaeroben Bereich absolviert wird, kann die Tempohärte in sehr kurzer Zeit entwickelt werden. Eingefleischte Langstreckenläufer werden merken, dass die Intervalle eine richtig harte Nuss sind.
Trainingsgestaltung: Große Vorsicht geboten!
Das Intervalltraining belastet den passiven Bewegungsapparat (Gelenke, Sehnen, Knorpel) wesentlich mehr als ein gemütlicher Dauerlauf im Fettstoffwechselbereich. Haben Sie daher immer Ihre Vorermüdung im Blick und achten Sie auf die Signale Ihres Körpers, bevor Sie das Training starten. Gerade in der aktuellen Zeit ist es noch wichtiger, die Erholung und die Regeneration in die Trainingsplanung miteinzubeziehen. Berücksichtigen Sie dabei: Schnelle Einheiten empfehlen sich im ausgeruhten Zustand, Long Jogs sollten auf Tage mit intensiveren Trainingseinheiten folgen, nicht umgekehrt. Trotz der „intensiveren“ Trainingsphase sollte das Training im aeroben Grundlagenausdauerbereich (GAT1) noch immer deutlich überwiegen.
In der Trainingsplangestaltung empfiehlt sich in dieser Trainingsphase ein häufigerer Wechsel zwischen Be- und Entlastung. Je nach Belastungsverträglichkeit sollte eine Regenerationswoche (Woche ohne intensive Einheiten) geplant werden. In der Regel wird in diesem Fall eine 2:1-Periodisierung empfohlen. Es ist aber keine Schande, wenn bereits nach einer Belastungswoche eine Regenerationswoche folgt (1:1). Nur während einer Entlastungsphase kann sich der Körper an die Trainingsreize anpassen. Wird die Regeneration vernachlässigt, ist eine Überlastung eine logische Folge. Diese kann sich durch Schmerzen am Bewegungsapparat äußern, aber auch ein grippaler Infekt oder sogar eine Corona-Infektion ist eine mögliche Folge eines geschwächten Immunsystems.
Nach den gemütlichen Dauerläufen empfiehlt es sich, abschließend drei bis vier Steigerungsläufe über 80 bis 100 m zu absolvieren. Die Belastungszeit sollte 30 Sekunden nicht übersteigen, da hier der anaerobe/alaktazide Stoffwechsel die schnellen Muskelfasern aktivieren soll. So werden auch die schnellen Muskelfasern bei einer langsamen Trainingseinheit beansprucht, ohne die Entwicklung der aeroben Kapazität einzuschränken.
Es ist verständlich, dass das harte Training nicht jedermanns Sache ist. Vielen HobbyläuferInnen, die bei uns in der Sportordination betreut werden, mangelt es an differenzierten bzw. polarisierten Trainingsreizen. Für die intensiven Trainingsreize fehlt es am Quäl-Potenzial und für die langen Fettstoffwechseleinheiten braucht es teils Konsequenz und teils Mut, langsamer als die anderen zu laufen. Übrig bleibt das mittlere Konsenstempo, in dem jede Trainingseinheit – tagein und tagaus – auf der Hausstrecke absolviert wird. Eine Leistungsverbesserung ist bei dieser Trainingsgestaltung beim Einstieg in das Training möglich, da sich der Körper sehr schnell an den Trainingsreiz adaptiert.
Seien Sie kreativ und mutig für neue Trainingsreize. Variieren Sie in der Länge und in der Intensität der Einheiten. Wechseln Sie nicht nur die Trainingseinheit pro Woche, sondern zyklisieren Sie Ihr Training, entsprechend Ihren Saisonzielen, in eine Grundlagenphase und in eine Phase der spezifischen Wettkampfvorbereitung.
In den Rhythmus kommen
Lassen Sie die schwierigen und extrem belastenden Umstände der letzten Monate hinter sich. Blicken Sie nach vorn in eine positive sportliche Zukunft. Mit der Teilnahme an den kommenden Events werden wir alle wieder unsere geliebte Normalität Stück für Stück zurückbekommen. Bereiten Sie sich gut, gewissenhaft und konservativ auf Ihre ersten Events vor. Gehen Sie es also am Anfang eher vorsichtig an und steigern Sie Ihre Belastungen moderat. Ein regelmäßiger Trainingsrhythmus ist genauso wichtig wie die Sicherheit und die Routine unmittelbar vor den Events.
Es kann durchaus sein, dass Sie diesmal wieder etwas mehr Kribbeln und Anspannung vor dem Startschuss verspüren. Beachten Sie, dass Sie nichts auf dem Weg an die Startlinie vergessen. Vielleicht fühlen Sie sich an die Nervosität in Ihren ersten Wettkampfjahren zurückversetzt. Eines wird sich jedoch nicht ändern, das ist die Gänsehaut, die Ihnen in den letzten Minuten vor dem Start über den Rücken läuft, und das zufriedene Gefühl, wenn Sie über die Ziellinie laufen, es geschafft haben – genießen Sie diese Momente.
Sie werden sehen, dass Ihnen das Training und die Wettkämpfe über die kurzen Distanzen viel Härte und Tempo bringen werden, die Sie dann im Herbst beim Österreichischen ASICS Frauenlauf oder bei einem Bewerb im Rahmen des Vienna City Marathon erfolgreich umsetzen können.